Nov 3, 2022
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Peking-Besuch: „Der Kanzler muss Klartext reden“ – Was sich die deutsche Wirtschaft von der Scholz-Reise nach China erhofft

Written by pinmin

Berlin, München, Düsseldorf Die China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz ist eine heikle Mission. Insbesondere den Zeitpunkt des Besuchs hatten Experten und Politiker kritisiert, auch Brüssel und Paris waren nicht glücklich.

Denn es ist nicht einmal zwei Wochen her, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in historisch einmaliger Weise auf dem Kongress der Kommunistischen Partei (KP) seine Macht noch weiter ausbaute. „In so einer Situation wird ein Besuch des deutschen Bundeskanzlers von China als Bestätigung für Xis Regierung inszeniert werden“, warnte Mikko Huotari, Direktor des Berliner China-Thinktanks Merics.

Scholz wird am Freitag Präsident Xi treffen – als erster westlicher Regierungschef seit dessen Wiederwahl zum Parteichef, außerdem den Ministerpräsidenten Li Keqiang. Den Kanzler begleitet eine zwölfköpfige Wirtschaftsdelegation. Im Vergleich zu früheren Reisen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es eine deutlich kleinere Abordnung. Die Wirtschaftsvertreter sollten den Argumenten der Bundesregierung Gewicht verleihen, hieß es in Regierungskreisen.

Die europäische Wirtschaft, die in China tätig ist, begrüßte die Reise. „Ich finde es sehr gut, dass Kanzler Scholz kommt“, sagte Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking und langjähriger China-Kenner.

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„Wir haben jetzt 1000 Tage keinen G7-Regierungs- oder -Staatschef mehr in China gehabt“, so Wuttke. „Wir brauchen in dieser Echokammer, die sich hier seit der Pandemie entwickelt hat, unbedingt eine klare Sprache.“ Der Kanzler müsse Klartext reden, forderte er.

>> Lesen Sie hier: Xi Jinping zementiert seine Macht über die dritte Amtszeit hinaus

In einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte Scholz die aus seiner Sicht drängendsten wirtschaftlichen Probleme aufgelistet. Er wolle in Peking auch die „Achtung bürgerlicher und politischer Freiheitsrechte“ sowie die Rechte ethnischer Minderheiten wie der Uiguren thematisieren, schrieb Scholz. Er werde „Kontroversen nicht ausklammern“.

China reagierte umgehend. Man freue sich auf einen „erfolgreichen ersten Besuch“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian in Peking, aber Einmischung dulde man nicht. „Wir sind Partner, nicht Rivalen“, ergänzte er.

In Scholz‘ Gastbeitrag hieß es, man nehme es sehr ernst, dass Chinas Wirtschaftsstrategie darauf ausgerichtet sei, den innerchinesischen Markt zu stärken und chinesische Technologien einzusetzen, um „die Abhängigkeit internationaler Produktionsketten von China zu verschärfen“.

Scholz: Deutschland will einseitige Abhängigkeiten abbauen

Deutschland werde daher einseitige Abhängigkeiten abbauen. Bei einem „Großteil des Handels zwischen Deutschland und China“ profitierten China, Deutschland und Europa jedoch gleichermaßen, so Scholz. Dort, wo riskante Abhängigkeiten entstanden seien – etwa bei wichtigen Rohstoffen wie manchen Seltenen Erden oder bei bestimmten Zukunftstechnologien –, stellten deutsche Unternehmen ihre Lieferketten nun „zu Recht“ breiter auf.

Probleme sieht Scholz noch beim Marktzugang für deutsche Unternehmen in China, bei Lizenzen, beim Schutz geistigen Eigentums oder bei Fragen der Rechtssicherheit. Tatsächlich klagt die deutsche Wirtschaft vor Ort bereits seit Jahren, dass es zwar in Einzelfällen Fortschritte bei der Marktöffnung gebe. Allerdings ändere sich strukturell zu wenig, so die Kritik.

Wie das Handelsblatt bereits vergangene Woche berichtet hatte, gehören zu der zwölfköpfigen Wirtschaftsdelegation unter anderen Vertreter des Pharmaunternehmens Biontech, der Autobauer BMW und VW sowie Siemens-Chef Roland Busch, der zugleich Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA) ist.

>> Lesen Sie hier: Auch ein Vertreter von Biontech reist mit Scholz nach China – das ist die komplette Liste der Unternehmen

Eine Unterzeichnung von Verträgen und Absichtserklärungen im Beisein der hohen Politik wird nicht erwartet. Früher gehörten diese zum Standardprogramm bei Kanzlerreisen in die Volksrepublik.
Auch die Beteiligung des chinesischen Staatskonzern Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens (HHLA) wird China nicht als Erfolgsmeldung für chinesisch-deutsche Zusammenarbeit verkünden können. Die Bundesregierung hatte kurz vor der Reise von Scholz in die Volksrepublik eine 35-prozentige Beteiligung untersagt und nur eine Beteiligung von unter 25 Prozent unter Auflagen gestattet. Grüne und FDP waren komplett gegen den Deal; Scholz hatte sich dafür eingesetzt, dass er durchgeht.

Entgegen anderslautenden Medienberichten wird nach Informationen des Handelsblatts aus Kreisen der HHLA mit Cosco noch um die endgültigen Konditionen des Einstiegs verhandelt. Wichtigster Streitpunkt: Während die Bundesregierung beim Einstieg der Chinesen in die Betreibergesellschaft des Containerterminals Tollerort von einer reinen Finanzbeteiligung ausgeht, ist dies dem staatseigenen Reedereikonzern bislang zu wenig. Es sei daher noch nicht sicher, ob es zu einer Einigung komme, hieß es in Verhandlungskreisen.

Erleichterung, dass überhaupt ein Treffen zustande kommt

Bei der Reise von Kanzler Scholz nach China ist die deutsche Seite in diesen schwierigen Zeiten schon damit zufrieden, dass überhaupt wieder Gespräche von Angesicht zu Angesicht stattfinden. Es sei wichtig, „mit Partnern wie China zu sprechen“, sagte BMW-Finanzchef Nicolas Peter vor der Reise. „Zum einen ist aus unserer Sicht Kooperation mit China absolut unerlässlich, um wichtige politische Vorhaben umzusetzen.“ Für den Green Deal, die Energiewende, sei China kein Risiko, sondern eine Chance. China werde auch bei der Elektromobilität ein wichtiger Treiber sein, so Peter.

>> Lesen Sie auch: „Die Zeit der Anbiederung ist vorbei“ – Grüne und FDP fordern härtere Gangart gegenüber China

Auch der mitreisende Volkswagen-Vorstandschef Oliver Blume sagte, dass man jede Gelegenheit zur Kommunikation zwischen beiden Ländern nutzen sollte. Vor Ort wolle er sich „Ideen und Perspektiven“ anhören. Wegen der Coronapandemie habe es seit fast drei Jahren keine direkten Begegnungen mehr gegeben. Angesichts der völlig veränderten geopolitischen und weltwirtschaftlichen Situation biete sich in Peking die Chance für einen persönlichen Meinungsaustausch.

China beharrt auf strikten Coronaregeln

Nicht mit dabei ist der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm. Bei der letzten Visite der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel in China im Jahr 2019 war der damalige BDI-Präsident Dieter Kempf noch dabei. Der BDI-Chef hatte vor der Reise an Scholz appelliert, dass Deutschland sich unabhängiger von der Volksrepublik machen solle. „Einseitige Abhängigkeiten müssen wir rasch abbauen“, so Russwurm.

Für die Wirtschaftsdelegation wird es aufgrund der strengen Coronaregeln keine leichte Reise werden. Zunächst müssen sich alle Mitreisenden gleich nach der Landung in Peking einem Coronatest durch die chinesischen Behörden unterziehen und das Ergebnis einzeln in einem Zimmer in einem staatlichen Gästehaus abwarten. Wenn es negativ ist, dürfen sie das Zimmer wieder verlassen.

Im weiteren Tagesverlauf dürfen sich die Reisenden nur in eng begrenzten Zonen bewegen – Peking hatte diese Methode der „Blasen“ schon während der Olympischen Spiele praktiziert, um Ansteckungen zu verhindern. Jeder, der mit der Delegation aus Deutschland in Kontakt kommt, muss danach mindestens zehn Tage in Quarantäne, sieben Tage davon in einer zentralen Einrichtung.

Mehr: Siemens will China-Geschäft massiv ausbauen – und riskiert neue Abhängigkeit.



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